Bild:  Handwerker auf der Strasse in Akhaltsikhe Dienstag, 16. Juli:
Nach einem guten Frühstück machen wir uns auf den Weg, um den Ort zu erkunden und auf die Burg zu gehen. Die Straßen sind herunter gekommen wie fast überall und erst in Burgnähe bzw. beim direkten Aufgang ist alles neu. Die Gelder gehen wie überall in die Vorzeigestätten. Susi läuft den Berg hinauf voraus - ich alte Frau brauche dazu immer länger - und stellt fest, dass man auf der Festung Eintritt bezahlen müsste, was wir uns schenken, denn für einen größeren Rundgang mit Museumsbesuch ist keine Zeit.
Bild: Susi rennt voraus Bild: Die Burg muss erklommen werden
Bild: Höhlenstadt Warzia

Bild: Höhlenstadt Warzia Inzwischen sind die anderen zurück von ihrem Ausflug und es geht weiter zur Höhlenstadt Warzia, die schon einen gewaltigen Eindruck macht. Ein Stück des Berges kann man mit kleinen Autos hochfahren, ab da geht es nur zu Fuß. Die Strecke zieht sich und es ist grausig heiß ohne jeden Schatten. Da beschließen Barbara und ich, auf einem Absatz die Ruhe zu genießen und uns die Höhlen zu schenken. Viele Leute kommen an uns vorbei, alle bergan, nur unser Schwede kommt zurück, ohne anzuhalten. Wir warten auf den Rest - und warten. Als auch unter unserem wilden Aprikosenbäumchen kein Schatten mehr ist, beschließen wir, bis dahin abzusteigen, wo wir das Auto verlassen haben. Doch kaum sind wir dort, springt Susi aus einem Wagen. Sie ist los, um uns am Berg abzuholen, da die ganze Gruppe auf einem anderen Weg zurückging. Danke Susi! Die Meute saß gemütlich bei Kaffee oder sonstwas und teilte uns mit, dass es von uns eine weise Entscheidung gewesen wäre, uns diesen Trip zu schenken. Karli meinte, dass es für manche besser gewesen wäre, sich uns anzuschließen. Bei der Weiterfahrt zur Grenze, an der wir um 16 Uhr sein sollten, referierte PB noch über die armenische Geschichte in aller Kürze und den Völkermord an den Armeniern. Marina war der Meinung, dass er dies besser noch in Georgien machen sollte. Dann nahmen wir Abschied von Marina und unserem georgischen Rabauken, der überall 80 fuhr, wo 50 stand, von der heiligen Nino und Dawit dem Erbauer und all den schlechten bis miserablen Straßen und zerfallenen Häusern, aber auch von phantastischem Essen und einer großartigen Landschaft - und waren nun gespannt auf Armenien.

Nach unserem pünktlichen Eintreffen in Bavra wurde uns eingebläut, ja das Fotografieren zu lassen, damit alles zügig vorangehen konnte. Also raus aus dem Bus mit allem, was sich inzwischen angesammelt hatte, Koffer nehmen und durch die georgische Zollkontrolle. Pass vorzeigen, Gesichtskontrolle... Dann ein ganzes Stück Koffer rollen über völlig kaputte Straße zur armenischen Grenze, wieder Kontrolle. Dann wieder mit Koffer bis zum inzwischen eingetroffenen Bus: ein wunderbarer großer Bus mit deutscher Aufschrift und einer Reiseleiterin, die Dolmetscherin war und ein einwandfreies deutsch sprach. Nellie entpuppte sich bald als absoluter Glücksfall. Sie hatte außerdem einen großen Beutel mit Ansichtskarten dabei, ihr Neffe ist Fotograf, also sozusagen eine Win-Win-Situation. Auf einer Liste konnte man eintragen, wie viele Briefmarken man braucht, die sie dann besorgen wollte. Dieses Kontrastprogramm in Sachen Heimatpost hat uns natürlich alle sehr beruhigt
Bild: eine Gegend mit wunderschönen Wiesen
Bild: eine Gegend mit wunderschönen Wiesen Bild: eine Gegend mit wunderschönen Wiesen
Wir fuhren durch eine Gegend mit wunderschönen Wiesen, wie hoch wir waren, weiß ich nicht. Das kann Susi mit ihrem GPS-Apparat feststellen. Im allgemeinen waren wir eigentlich nie unter 1000 m, im Mittel ca. 1800 m. Jedenfalls sind die Farben aller Blumen und Kräuter viel kräftiger als ich es kenne. Man sagte mir, das käme von der Höhe. Größere Haltestopps waren leider nicht möglich, da nach Eriwan noch ein ganzes Stück zu fahren war. Zum Glück entpuppte sich Nellie schon bald als wunderbare Geschichtenerzählerin.
Ein Beispiel: der türkische Botschafter fragte in Eriwan nach, wieso Armenien den Ararat im Wappen habe, wo er ihnen doch gar nicht gehöre. Da antwortete der Botschafter: wieso hat die Türkei den Halbmond im Wappen, der ihnen doch ganz gewiss nicht gehöre.
Und bald schon kamen auch die berühmten Radio-Eriwan-Witze. Susi hatte davon noch nie gehört und sich herrlich amüsiert.

Nellie erzählt viel über Land und Leute, über das Erdbeben 1988, von dem besonders Gjumri, durch das wir gerade fahren, betroffen war, von ganzen Siedlungen, die danach von verschiedenen Ländern gespendet wurden und bemerkt auch die Veränderungen seit ihrem letzten Besuch vor zwei Jahren. Es tut sich etwas, aber noch längst nicht genug. Man rätselt, wohin das viele gespendete Geld geflossen ist - und ein paar Tage später glauben wir an das, was vermutet wird. Zeitlich reichte es leider nur für eine Durchfahrt.

Am Stadtrand von Eriwan sehen wir dann eine Walt Disney-Anlage/Haus eines armenischen Oligarchen, von denen es viele geben soll. Tatsache aber ist, dass Armenien ohne seine reichen und superreichen Auslandsarmenier nicht leben könnte. Sie tun in jeder Hinsicht viel für das Land. Auch wenn die schlimmsten Jahre vorbei sind - der Schreck über das Erdbeben 1988, der Krieg um Berg-Karabach um 1990 und die Wirtschaftsblockade und Isolierung des Landes von ca. 1992 - 1995 - ist das Leben im heutigen Armenien nicht gerade einfach. In den beschwerlichsten Jahren, wo es alle drei Tage nur ein paar Stunden Strom gab, wurden einfach die Bäume abgeholzt, um an Heizmaterial zu kommen. Wie die meisten ehemaligen Unionsrepubliken geriet Armenien nach dem Zusammenbruch der UdSSR in eine schwere Wirtschaftskrise. Bei der Umstellung von zentraler Verwaltungswirtschaft auf liberale Marktwirtschaft ergaben sich tiefgreifende Probleme. Dazu noch der Konflikt mit Aserbaidschan und Berg-Karabach. Dieses Thema sollte noch oft zur Sprache kommen.

Bild: So beginnt unser Abendessen Jetzt erst einmal ging es in ein Lokal zum Abendessen, wieder mit den leckersten Dingen. Neu war eine kross gebackene Tasche, die man erst aufpacken musste, um an den Fleischinhalt zu kommen Susis Foto ist besser als meines, aber geschmeckt hat es uns beiden. Als wir ziemlich müde zum Einchecken am Ani Plaza Hotel vorfuhren, erwartete uns bereits Lilit, die mit der Hotelmanagerin befreundet ist. Wie sie uns später sagte, hatte sie für diesen Abend Karten für Spartakus (Khatchaturjan), letzte Vorstellung vor der Sommerpause. Bild: eine kross gebackene TascheMich hat das ganz besonders getroffen, da ich Spartakus bereits bei unserem Stiftungswochenende in Petersburg sehen wollte. Dort war die Vorstellung total ausverkauft. Zwei Schwarzmarktkarten hätten wir haben können, aber dies wurde gar nicht erst diskutiert. Ob ich Spartakus wohl jemals sehen werde?

Jedenfalls haben wir uns für den nächsten Abend verabredet. Wir würden nicht mit der Gruppe zum Essen gehen sondern uns gleich mit Lilit treffen. Unser Hotelzimmer lag im 11. Stock, was den Vorteil hatte, dass wir kein Problem mit dem Aufzug hatten. In den unteren Stockwerken war er meist schon voll, wenn er endlich vorbei kam.
Bild: Blick aus dem Hotelzimmer Mittwoch, 17. Juli:
Beim Aufwachen stellten wir fest, dass wir ganz leicht den Ararat sehen konnten. Auf den Fotos hat er sich allerdings unsichtbar gemacht. Um 9 Uhr war das Treffen mit dem Deutschen Botschafter Morell. Eine absolute Enttäuschung. Hier hat sich mal wieder bewahrheitet, dass man oft mit Schmittchen besser dran ist als mit Schmitt. Der Mann war weder vorbereitet noch hat er irgendwelche Fragen zufriedenstellend beantwortet. Er hat uns Galerien empfohlen und einen guten Wein, Ich glaube es war Karat, den wir an den letzten beiden Abenden auch getrunken haben. Sündhaft teuer, aber super.

Anschließend an dieses ”gewinnbringende” Gespräch ging es auf zur Stadtrundfahrt. Die Temperatur dürfte inzwischen die 38 Grad erreicht haben. Wir waren im Haghtanak-Park bei der Mutter Armeniens, besuchten die eindrucksvolle Genozid-Gedenkstätte Zsitsernakaberd, den Platz der Republik, wo gerade die Brunnen für die abendlichen Wasserspiele gereinigt wurden, Universität, Parlament und Präsidentenpalast. Wir bestaunten das riesige Fußballstadion, was man sich in Armenien gar nicht vorstellen kann. Wenn ich mir den Stadtplan so betrachte, dann sind wir ganz schön herumgekommen. Einen größeren Aufenthalt hatten wir Gottlob beim Kaskadekomplex, wo man gut und gern einen ganzen Tag verbringen könnte. Es geht über etliche Etagen den Berg hoch, auf jeder Etage ist Kunst und eine Tür nach draußen, wo man wiederum Kunst und einen herrlichen Ausblick hat. Auf dem Rückweg zum Bus haben Susi und ich dann auch noch gewagt, an einer richtigen Eisdiele Eis zu essen und es ist uns gut bekommen.
Bild: beim Kaskadekomplex Bild: ohne Worte Bild: beim Kaskadekomplex
Bild: beim Kaskadekomplext Ein besonderer Genuss war der Besuch von Matenadaran, dem Zentralarchiv für armenische Handschriften. Wir hatten eine wunderbare und begeisterte Führerin, da musste ein Funke überspringen. Nur so am Rande: Auch dieses Museum ist nur über viele Stufen zu erreichen. Aber es lohnt sich, ich war begeistert. Um 19 Uhr holte uns (Barbara, Susi und mich) Lilit am Hotel ab und brachte jedem eine Flasche Granatapfelwein und einen Teelichtgranatapfel mit. Vor dem Hotel hielt ein Auto und der aussteigende Fahrer begrüßte uns mit einem Iphone, auf dem stand: ”Guten Abend, herzlich willkommen”. Es war ein Cousin von Lilit, der uns zu dem von ihr ausgesuchten Lokal brachte. Wir hatten kaum Platz genommen, da stand ein gutaussehender Ober hinter uns und fragte auf Deutsch, was er uns bringen dürfe. Unsere Verblüffung war natürlich groß, aber mehr konnte er auch nicht. Lilit hat alles bestellt, was die armenische Küche zu bieten hat, man kam wirklich kaum mit. Mit dem Trinken war er es genauso. Bild: im von Lilit ausgesuchten Lokal Zu Wasser und Wein gab es noch Säfte - Susi kann da viel mehr vertilgen als ich. Auch wenn mein Buckel noch Bauch wäre, ginge da gar nichts mehr. Ich glaube, selbst Thomas wäre da überfordert gewesen. Nach den Choravats (gegrilltes Fleisch) dachten wir alle, es wäre das Ende. Aber Lilit bestellte noch etwas, von dem ich nicht weiß, wie es heißt. Sie hat uns genau die Herstellung erzählt und die Story, die mit Gajane, ihrer Mutter zusammenhängt. Die Füllung erinnert irgendwie an Leberkäse, ist aber keiner. Nach diesem feudalen Essen wollten wir natürlich ihre Wohnung sehen und fuhren mit einer Taxe zu einem Hochhaus, das nicht sehr einladend aussah. Auch der Eingang war dunkel und, na ja. Aber nach dem Aufschließen der Wohnung waren wir baff. Kein Wunder, dass sich alle Familienmitglieder im Urlaub dort wohlfühlen. Im Umkreis hat sie Verwandte, so dass sie auch nie allein sein muss.
Bild: im von Lilit ausgesuchten Lokal Bild: im von Lilit ausgesuchten Lokal Bild: im von Lilit ausgesuchten Lokal
Später erfuhren wir, dass viele Wohnungen in diesen Hochhäusern so aussehen.

Eine Taxe zum Hotel zu bekommen, war etwas schwieriger, da sich um diese Zeit alles im Zentrum befindet. Aber bei unserem Fußmarsch auf der Straße ist es uns dann doch gelungen. Wir verabredeten uns gleich für den nächsten Abend, diesmal nach dem gemeinsamen Essen, um zu den Tanzenden Fontänen zu gehen.

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